Erinnerungen lebendig werden lassen

Interviews mit Zeitzeug*innen in der Museumsarbeit

Kapitel 1
Interviews mit Zeitzeug*innen

Begriff Zeitzeuge

Dieser Begriff ist nicht eindeutig festgelegt und wird in der Regel verwendet, wenn es um Personen geht, die über Erinnerungen beispielsweise zu historischen Ereignissen aus ihrem Leben berichten. Jedoch, nicht jede(r) Zeitzeug*in ist auch Augenzeug*in einer Begebenheit, das heißt nicht jede(r) hat an einem Ereignis persönlich teilgenommen. Der Begriff Zeuge deutet auf rechtliche Bezüge hin, bei denen es um die authentische mündliche Beschreibung einer Begebenheit zum Beispiel vor Gericht geht. Dies führt allerdings für die Arbeit mit Zeitzeug*innen im Rahmen von Interviews auf eine falsche Fährte, denn gerade die Erinnerung kann sehr trügerisch sein, besonders in Bezug auf Daten und Fakten. So haben die Aussagen von Zeitzeug*innen eher einen Wert in Bezug auf die Wiedergabe von persönlichen Wertungen und Einstellungen beispielsweise zu einer zeitgeschichtlichen Begebenheit.

In Deutschland ist der Begriff Zeitzeuge im Zusammenhang mit der Aufarbeitung der Zeit des Nationalsozialismus bekannt geworden. Als Zeitzeug*innen werden in diesem Zusammenhang oft Überlebende des Holocaust bezeichnet, die von ihren Erfahrungen in der NS-Zeit berichten. Zeitzeug*innen gehören heute zum Alltag in der schulischen und außerschulischen Bildung. Sie sind auch Teil der Museumsarbeit und bei zeitgeschichtlichen historischen Themen in den Medien präsent. Die Begegnung mit Menschen, die zum Beispiel Schüler*innen von ihren Erfahrungen aus der Zeit des Nationalsozialismus erzählen, bietet eindrückliche Einblicke in die Folgen von Ausgrenzung und Verfolgung. Die Begegnungen mit Zeitzeug*innen können Empathie und die Aufmerksamkeit für Themen wie Menschenrechte, Toleranz und kulturelle Vielfalt fördern.

Warum Interviews?

Warum überhaupt mit Interviews arbeiten? Zu vielen Themenbereichen, gerade der Alltagsgeschichte, gibt es nur wenige schriftliche Dokumente und wir sind auf die Erzählungen von Menschen angewiesen, die etwas darüber berichten können.

Für die historische Forschung und die Dokumentation in Museen stellen Interviews mit Zeitzeug*innen eine Quelle mit besonderem Erkenntniswert dar. Durch sie können Motivationen und Erfahrungen der Befragten festgehalten, Hintergrundwissen zu einzelnen Objekten, Sammlungsbeständen und zeitgeschichtlichen Themen erfasst werden. Die Interviews ergänzen andere Quellenbestände, wie etwa Archivmaterial, persönliche Aufzeichnungen, Zeitungsartikel oder Fotos und beeinflussen in Wechselwirkung mit ihnen die Auswertung und die daraus folgende museale Präsentation.

Ziel dieses Seminars ist, nicht nur in die konkrete Arbeit der Durchführung von Interviews einzuführen, sondern auch zu einem kritischen Umgang mit mündlichen Quellen anzuregen. Gerade bei der Arbeit mit lebensgeschichtlichen Interviews ist eine reflektierte Erschließung, also eine quellenkritische Befragung der Texte notwendig.

Letztlich geht es hier um eine Grundbedingung der wissenschaftlichen Arbeit, die auch im Museum ihre Gültigkeit hat: Die verwendeten Quellen und die Ergebnisse müssen auch für Dritte zugänglich und überprüfbar sein. Dies wird ermöglicht, indem wir unseren Planungsprozess festhalten, unser Vorgehen dokumentieren und die Interviews bzw. die verschriftlichten Interviewtexte (Transkriptionen) speichern.

Die Historikerin Dorothee Wierling, die sich grundlegend mit Erkenntnissen zur Methode und Praxis der Oral History (= mündliche Geschichte) beschäftigt hat, forderte daher: 

„Die wichtigste professionelle Intervention […] geschieht nach dem Interview durch die systematische Befragung des Textes aus der Haltung einer kritischen Geschichtswissenschaft. Das Interview wird dabei zur Quelle für die subjektive Deutungsgeschichte eines bestimmten Individuums […].“[1]

Exemplarisch – Ideen für zwei Interviews in Borken

EinführungLeitfadeninterview und narratives Interview

Einem Leitfadeninterview liegt eine Abfolge von Fragen zugrunde, die auf ein bestimmtes, eingegrenztes Thema ausgerichtet sind.
Im offenen, narrativen Interview wird den Befragten durch offene Fragen die Möglichkeit gegeben, möglichst selbstbestimmt ihre Gedanken zu entwickeln und über ihre Erfahrungen zu erzählen.

 

Interviews können in ganz unterschiedlicher Weise durchgeführt werden. Zur Zeitzeugenbefragung werden sogenannte qualitative Interviews durchgeführt. Unter der Bezeichnung qualitative Interviews sind eine Vielzahl von Interviewformen gefasst, deren Gemeinsamkeit darin liegt, dass sie Antworten in freier Darstellung ermöglichen. Im Gegensatz dazu gibt es standardisierte Interviewmethoden (zum Beispiel Multiple-Choice-Tests), die nur vorgegebene, eingegrenzte Antworten zulassen.

Qualitative Interviewformen strukturieren durch die Art der Fragen in unterschiedlichem Ausmaß die Antworten der Befragten. Häufig verwendet wird das mit einem Fragenkatalog geführte Leitfadeninterview,  bei dem die Interviewten zu einem fest umrissenen Thema befragt werden[2] Das offene, narrative Interview ermöglicht den Interviewten durch weit gefasste Fragen, ihren Assoziationen und persönlichen Gedanken zu folgen und frei zu erzählen.[3] Ein Leitfadeninterview kann durchaus auch lange, narrative Passagen enthalten.

Narrative Interviews werden oft durchgeführt, um die Lebensgeschichte einer Person zu erfassen. Dabei berichten die Interviewten in der Regel viel von den zeitgeschichtlichen, sozialen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und Erfahrungen, die ihr Leben geprägt haben.

Diese Interviewform kann auch auf die Herkunft einer Familie, die jüngere Geschichte eines Dorfes bzw. einer Region ausgerichtet sein oder darauf abzielen, neue Aspekte zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte aus dem Erfahrungshorizont der interviewten Person aufzunehmen.

Ein Vorteil des narrativen Interviews ist, dass die erzählende Person ihre eigenen Schwerpunkte setzen kann und damit nicht von dem abgelenkt wird, was für sie relevant ist. Menschen erzählen, wenn sie frei sprechen können, oftmals mehr über sich, als ihnen bewusst ist. Während des Interviews werden zum Teil sehr persönliche oder sensible Details berichtet, die einen verantwortlichen Umgang bei der Archivierung und Auswertung benötigen. Deshalb müssen gerade bei diesen Interviews hinsichtlich der Verwertung des Gesagten ethische Gesichtspunkte immer stark berücksichtigt werden.

Ein Vorteil von Leitfadeninterviews ist, dass in der Interviewsituation Flexibilität möglich ist, indem zum Beispiel direkte Rückfragen gestellt werden können. Das Interview selbst bleibt übersichtlich in der Thematik und Länge.

Zeitzeug*innen im Museum – in Ausstellungen und der Vermittlung

Die Verwendung von Zeitzeugeninterviews sind aus der Museumslandschaft nicht mehr wegzudenken. Dieser verstärkten Nutzung liegt ein gewandeltes Geschichtsverständnis zugrunde, das sich seit den 1980er Jahren auch in Deutschland entwickelte. Die Zuspitzung auf das individuelle Erleben und regionale Entwicklungen, vor allem vorangetrieben von den Geschichtswerkstätten, führte zur Entdeckung der Zeitzeug*innen. Die Einbindung von Berichten von Zeitzeug*innen bietet die Möglichkeit zur Multiperspektivität: So wird vielstimmigen Geschichtsbildern, Erfahrungen und kontroversen Perspektiven Raum gegeben. Mit Blick auf die Interessen der Besucher*innen vermitteln sie einen emotionalen und authentischen Zugang zu historischen Prozessen.

Jedoch ist kritisch zu bedenken, dass in Berichten von Zeitzeug*innen selektiv erinnert wird. Die Schichten von Erlebtem und Erinnertem werden unter anderem durch Mediendarstellungen im Nachhinein überlagert und damit die Erinnerung verändert. Museen sollten sich daher um eine differenzierte Präsentation der Zeitzeugenberichte bemühen, indem sie diese Quelle in ihren Kontext einbetten, also in die Biographie der Interviewten, die Interviewsituation selbst und die sozialen, kulturellen und politischen Rahmenbedingungen.

So lässt sich vermeiden, dass etwa Schüler*innen die Ausführungen von Zeitzeug*innen als eine Art Ausschnitt unverfälschter Geschichte missverstehen, wenn sie den subjektiven Erinnerungen am außerschulischen Lernort Museum begegnen.

 

„Wie kann man vermeiden, dass Zeitzeugen eben nicht nur für bereits feststehende Präsentationsziele eingesetzt und instrumentalisiert werden? Ist es geboten, Ausstellungsbesucher explizit zu informieren? Gehört es nicht zur Aufgabe von wissenschaftsbasierten Museen […] den Besucher für einen angemessenen und kritischen Umgang mit den Zeitzeugenberichten zu sensibilisieren und methodisch eine entsprechende Aufbereitung und differenzierte Präsentation von Zeitzeugenberichten anzubieten?“[4]

 

Exkurs: Erzählen, Gedächtnis und Erinnerung

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Erzählen über Vergangenes ist Bestandteil unserer Alltagskultur. Wir haben persönliche, individuelle Erinnerungen und erzählen uns zum Teil generationenübergreifende Familiengeschichten. Darüber hinaus sind unsere Erinnerungen auch mit historischen Ereignissen in unserer Region und unserem Land verbunden. Die Berichte, die in Interviews erfasst werden, sind oftmals das Ergebnis eines langen Verarbeitungsprozesses, der beeinflusst ist von der eigenen Biographie, der gesellschaftlichen Entwicklung und der konkreten Interviewsituation. In der wissenschaftlichen Forschung wird die gemeinsame Gedächtnisleistung einer Gruppe von Menschen mit dem Begriff kollektives Gedächtnis bezeichnet. Die kollektiven Erinnerungen beziehen sich auf die Deutung der sozialen und politischen Verhältnisse in der Gegenwart.[5]

Historische und kulturwissenschaftliche Museen sowie Heimatmuseen sind Orte, an denen der Blick auf die Vergangenheit gerichtet ist und kollektive und subjektive Aspekte der Vergangenheit erhalten werden. Sie sind damit Orte der Erinnerungskultur. Hier treffen öffentlich gepflegte Formen der Erinnerung sowie subjektive Erinnerungen aufeinander. Das führt zum Teil auch zu Auseinandersetzungen um die richtige Sicht auf die Geschichte und die damit verbundenen Erfahrungen.

Für die historische Forschung stellen in diesem Zusammenhang Interviews mit Zeitzeug*innen eine Quelle mit besonderem Erkenntniswert dar. Mithilfe dieser Befragungen können vielfältige Motivationen und Erfahrungen der Befragten erfasst und präsentiert werden.

Exkurs: Oral History und Zeitzeugenbefragung

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Der englische Begriff Oral History (übersetzt etwa: mündlich überlieferte Geschichte) bezeichnet eine Methode, Zeitzeug*innen zu befragen in Interviews, diese zu verschriftlichen und wissenschaftlich auszuwerten. Dabei verweist der Begriff auf einen Quellentyp, auf eine Forschungsmethode und ein verschiedene Fachdisziplinen verbindendes Forschungsfeld (etwa Geschichte, Kulturwissenschaften, Soziologie). Die Bedeutung des Begriffs ist vielschichtig und daher wird der Begriff oftmals im Gebrauch synonym verwendet mit Bezeichnungen wie erzählte Geschichte, Alltagsgeschichte und Lebensgeschichte. Zum Teil wurde in Deutschland die Bezeichnung Mündliche Geschichte synonym verwendet.

 

Kapitel 2
Von der Projektidee zur Interviewpraxis

Planung von zwei Interviews für das Museum Borken

Inhaltliche Vorbereitung eines Leitfadeninterviews

 1. Projektskizze erstellen

  • Beschäftigung mit dem Objekt / Thema (Literatur, Archivalien, ähnliche Objekte recherchieren, mit dem Thema vertraut machen)
  • Forschungsinteresse, Forschungsfragen und Ziele formulieren (Dokumentation, Ausstellung, Publikation, Vermittlungsangebot)
  • Ergebnisse der Recherche schriftlich festhalten als Kurzprotokoll in Stichpunkten: Ausgangssituation, Wissensstand, Hauptthema, Ziel des Interviews, potentielle Interviewpartner*innen

2. Interviewleitfaden entwickeln

  • Aus übergeordneter Zielsetzung Interviewform und Fragen ableiten. Das bedeutet: Stichworte als Grundlage für Interviewleitfaden zusammenstellen, dazu Fragen formulieren

2.1 Richtlinien für die Leitfaden-Fragen

  • Zum Einstieg eine offene Frage stellen (befragte Person kommt damit leichter in einen Erzählfluss)
  • klar und einfach formulieren
  • keine Fragen stellen, die eine Antwort schon vorgeben
  • keine Fremdwörter oder Fachbegriffe verwenden

3. Interviewpartner*in ermitteln

  • Kontakte ermitteln über Recherche (im persönlichen und beruflichen Umfeld, Aufruf in Zeitung, Sozialen Medien)
  • Kontaktperson anfragen und Termin vereinbaren

4. Einverständniserklärung vorbereiten

  • Einverständniserklärung zur Einholung der Nutzungsrechte

 

 

Beispiel für eine offene Frage:

Frage: Welche Bedeutung hatte für Sie die Schließung der letzten Gaststätte im Ort?

Antwort: Das fand ich sehr bedauerlich. Ich gehörte zu einer Gruppe von Skatspielern, die sich dort jeden Samstagnachmittag getroffen hat. Uns gefiel die Atmosphäre und wir trafen dort dann auch die Fußballer, die nach den Spielen auf ein Bier kamen. […]

Beispiel für eine geschlossene Frage:

Frage: Sind Sie für oder gegen die Schließung der letzten Gaststätte gewesen?

Antwort: Ich war dagegen.

Inhaltliche Vorbereitung eines narrativen Interviews

Die Planung und Umsetzung verläuft ähnlich wie beim Leitfadeninterview: Zunächst wird die Projektskizze erarbeitet. Allerdings ist bei der Entwicklung der grundlegenden Fragen sowie bei der Durchführung des Interviews einiges zu beachten: Viel stärker als im Leitfadeninterview soll hier der befragten Person die Möglichkeit gegeben werden, ihre Erzählung frei zu entwickeln und zu gestalten. Daher wird zu Beginn eine Frage gestellt, die ganz offen ist und der interviewten Person den Raum bietet, umfassend zu erzählen und dabei den eigenen Ideen und Gedanken zu folgen. Im Anschluss an die eigenständige Erzählung der Befragten können sich dann Detailfragen anschließen.

Gruppeninterview

Die Planung eines Interviews ist in diesem Webseminar auf Einzelinterviews ausgerichtet. Die Anwesenheit weiterer Teilnehmender im Interview hat großen Einfluss auf die Aussagen jedes Einzelnen. Sollten Sie ein Gruppeninterview planen, ist zu beachten, dass sensible Inhalte hier eher nicht behandelt werden können, da die soziale Kontrolle und die Interaktion unter den Befragten großen Einfluss auf die Erzählweise und das Erzählte haben.

Technische Ausstattung und Archivierung

Für die Aufzeichnung und spätere Archivierung bzw. Veröffentlichung eines Interviews bieten sich je nach Bedarf ganz unterschiedliche technische Möglichkeiten und Hilfsmittel an.

Die wohl einfachste Form, ein Interview aufzuzeichnen, ist das handschriftliche Notieren mit Block und Stift. Jedoch birgt diese Variante die Gefahr, sich nicht ausreichend auf das Zuhören und die Kommunikation mit dem Gegenüber konzentrieren zu können. Sicherlich ist auch für Geübte das exakte wortwörtliche Aufzeichnen des Gesagten schwierig. Die Aufzeichnung in Stichpunkten wiederum kann zu Ungenauigkeiten für die spätere Auswertung bzw. Verwendung führen.

So bietet sich die Tonaufzeichnung mittels eines Aufnahmegerätes, idealerweise eines Diktiergerätes, sowie ggf. eine spätere Transkription an. Mittlerweile haben auch viele Smartphones standardmäßig eine Aufnahmefunktion, die man für Audioaufnahmen verwenden kann. Einfach zu bedienende digitale Diktiergeräte von guter Qualität sind zu einem geringen Preis zu bekommen, zusätzliche Mikrofone verbessern die Tonqualität der Aufnahmen.

Das ist besonders wichtig, wenn Teile des Interviews später veröffentlicht werden sollen. In jedem Fall sollte man sich mit der Technik vertraut machen und vor den ersten Interviews die technischen Geräte ausprobieren.

Bei den Speicherkarten ist auf ausreichende Kapazität zu achten, Ersatzakku bzw. Ladekabel gehören zur Grundausstattung. Für die Langzeitspeicherung beachten Sie bitte die Hinweise im Kapitel zur Auswertung und Sicherung der Daten.

Mit Foto- und Filmkameras können Videoaufzeichnungen durchgeführt werden. Diese Variante bietet sich besonders für die spätere audiovisuelle Verwendung in Ausstellungen an. Allerdings sollte hierbei der Aufwand für professionelle Aufnahmen nicht unterschätzt werden, bestenfalls lässt sich eine Film- und Medienagentur engagieren. In kleinerem Umfang, etwa für Social-Media-Aktivitäten, kann in vielen Fällen auch auf Smartphones und Tablets zurückgegriffen werden.

Zum professionellen Interviewaufbau gehören neben einem geeigneten ruhigen Ort ein bis zwei Kameras auf entsprechenden Stativen, eine hochwertige Mikrofonierung, zusätzliche Beleuchtung sowie weitere technische Hilfsmittel wie Feldmonitor und externe Aufnahmegeräte. Für die richtige Anordnung, Bedienung, Durchführung und anschließende Postproduktion sind technische Grundkenntnisse wichtig. Nicht umsonst arbeiten Filmproduktionsfirmen im Team und mit ausgebildeten Personen.

Einblicke in die Durchführung eines Leitfadeninterviews

Einblicke in die Durchführung eines narrativen Interviews

Die Interviewsituation – Tipps zum Verhalten im Interview

Die detaillierte Planung und Vorbereitung eines Interviews sind beste Vorausetzungen für gute Ergebnisse. Jedoch: Auch bei guter Vorbereitung kann ein Interview unbefriedigend verlaufen. Dies liegt eventuell am Auftreten und Verhalten der interviewenden Person.

Im Folgenden werden einige Tipps gegeben, um typisches Fehlverhalten zu vermeiden und im Interview bestmöglich zu agieren. Das Ziel dieser Hinweise ist, eine gute Gesprächsatmosphäre zu schaffen und damit den Erzählfluss der befragten Person zu fördern.

Positives Verhalten

  • Das Interview ähnelt einer Gesprächssituation, wobei Sie die Rolle der/des abwartenden Zuhörers*in innehaben. Förderlich ist eine gute, entspannte Atmosphäre. Die interviewte Person soll das Gefühl haben, dass ihre Ausführungen auf wohlwollende Ohren trifft und sie sich frei äußern kann.
  • Bleiben Sie neutral und reagieren Sie nicht wertend auf die Antworten. Zeigen Sie eine wertschätzende Haltung und lassen Sie ihr Gegenüber ausreden.
  • Passen Sie Ihren Sprachstil dem der befragten Person an.
  • Durch eine zugewandte Körperhaltung, freundliche Mimik, offenen Blickkontakt sowie zustimmendes Nicken regen Sie die befragte Person zum Erzählen an.
  • Lassen Sie kleine Pausen während der Erzählung zu, in denen die Interviewten ihre Gedanken sortieren oder nachdenken können.
  • Bleiben Sie im Interview offen für unerwartete Informationen und subjektive Sichtweisen. Gehen Sie flexibel mit dem Fragenleitfaden um und lassen Sie bei Bedarf eine geänderte Reihenfolge der Fragen zu.
  • Geben Sie Erzählimpulse, wenn das Gespräch deutlich stockt, etwa durch Wiederholung der letzten Worte oder Gedanken der Befragten, durch das Erbitten eines Beispiels oder einer genaueren Beschreibung.
  • Einen Anreiz zur Erinnerung ermöglichen historische Fotos oder Dokumente. Fragen Sie bei der Terminvereinbarung, ob derartige Materialien im Interview hinzugezogen werden können.
  • Oftmals werden in narrativen Passagen vielfach wiederholte Erinnerungsmodule erzählt, die sich für die Befragten bewährt haben und zu ihrem Selbstverständnis gehören. Bleiben Sie geduldig, da im Anschluss neue Aspekte in der Erzählung zutage treten können.
  • Stimmen Sie die Dauer des Interviews auf das Alter und den gesundheitlichen Zustand der interviewten Person ab. Bei Ermüdungserscheinungen oder nach einer bestimmten Dauer das Interview beenden, evtl. einen neuen Termin vereinbaren.
  • Überlegen Sie gegen Ende des Interviews, welche Fragen noch offen sind und fassen Sie dort nach.

Negatives Verhalten

  • Vermeiden sie unbedingt Gesprächskiller: Während des Interviews die Aussagen nicht infrage stellen, bewerten, moralisieren oder direkt widersprechen, auch nicht, wenn für ihr eigenes Verständnis politisch oder moralisch zweifelhafte Standpunkte vertreten werden.

Von der Kontaktaufnahme bis zum Tag des Interviews – Schritt für Schritt im Überblick

1. Vorabsprache bei (telefonischer) Kontaktaufnahme mit Interviewpartner*in

  • mich vorstellen (Name, Funktion), warum ich anrufe: Thema und Sinn des Interviews erläutern (Ausstellung, Publikation, Vermittlungsangebot)
  • die Interviewform / Art der Durchführung erläutern (und zu erwartende Dauer)
  • anfragen, ob sich die Person vorbereiten möchte (durch Sichtung von Dokumenten, Fotos, Objekten)
  • erläutern, dass das Interview aufgezeichnet wird (mit Audio- oder Videogerät)
  • erläutern, dass eine Einverständniserklärung zur Archivierung, Nutzung und Auswertung eingeholt wird zu Beginn des Interviews durch Unterschrift
  • vereinbaren von Termin und Treffpunkt

2. Am Tag des Interviews: Vor Beginn des Interviews

  • mich vorstellen (Name, Funktion), bedanken für die Bereitschaft, Auskunft zu geben
  • kurz Thema und Zweck des Interviews erläutern
  • kurz Interviewverlauf beschreiben und voraussichtliche Dauer angeben
  • Einverständniserklärung erläutern, Unterschrift einholen, Duplikat übergeben
  • Erfragen von biographischen Daten der Interviewten: Geburtsjahr, Geburtsort, aktuelle Kontaktdaten, schulische und berufliche Bildung, heutiger Familienstand
  • Fragen nach Bildmaterial (oder Objekten, Archivalien) zum Thema, die hinzugezogen werden könnten

3. Start des Interviews

  • die gerade genutzten Unterlagen zur Seite legen, Interviewleitfaden zur Hand nehmen, um den Übergang zum Interview deutlich zu zeigen
  • nicht vergessen: Das Aufnahmegerät nun einschalten! (Störende Nebengeräusche möglichst ausschalten)
  • Fragenleitfaden durchgehen 

4. Ende des Interviews

  • bedanken für das Interview
  • Objekte mit Objektdatenbogen oder Schenkungsvertrag erfassen
  • Raum geben für Nachfragen der Interviewten

5. Nach der Rückkehr vom Interview

  • zeitnah das Erinnerungsprotokoll schreiben
  • Interviewdaten sichern

Das Erinnerungsprotokoll

  • Im Erinnerungsprotokoll werden die Rahmenbedingungen und die Interviewsituation festgehalten: Wie kam das Interview zustande und an welchem Ort fand es statt? Wie lang dauerte es? Wer war anwesend? Wie war die Atmosphäre? Welche besonderen Ereignisse gab es im Interview (etwa Brüche im Gespräch, emotionale Situationen)?
  • Das Erinnerungsprotokoll ist ein wichtiger Bestandteil für die Dokumentation und Auswertung eines Interviews, besonders bei der späteren Nutzung durch Dritte. Die dort festgehaltenen Hintergrundinformationen sind für das Verständnis des Interviews von Bedeutung.
  • Es sollte möglichst direkt nach dem Interview verfasst werden, da dann die Erinnerungen noch lebendig und detailliert sind.

Exkurs: Zeitzeug*innen vor der Filmkamera – Tipps aus der Praxis

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  • Bei einem filmischen Zeitzeugeninterview sollten Sie darauf achten, dass die Kulisse stimmig ist. So ist es sinnvoll, einen Bergmann unter Tage im Stollen, einen Friseur in seinem Salon und einen Künstler in seinem Atelier zu befragen.
  • Zu Beginn des Interviews steht die interviewte Person vor dem Gegenstand, der von ihm erläutert werden soll: Der Bergmann vor einem Gewinnungsgerät, der Friseur vor einem Perückenkopf, die Künstlerin vor ihrem Gemälde.
  • Zeitzeug*innen sollten sich zu Beginn des Interviews selbst vorstellen.
  • Es ist sinnvoll, Porträtaufnahmen, Anschnitte von Gesichtern und Detailaufnahmen vom Objekt anzufertigen, die beim Filmschnitt Verwendung finden und die Anschaulichkeit erhöhen. So wirkt eine zentrale Aussage eindringlicher, wenn die Interviewten im Porträt erscheinen. Handgriffe – etwa beim Einschalten eines Gerätes – bereichern das Interview.
  • Bitte darauf achten, dass Fachbegriffe oder Fremdworte im Interview erläutert werden. Wenn der Steiger von der ESA spricht, meint er den Walzenschrämlader. Am besten, Sie fragen gleich im Interview: „Was meinen Sie mit dem Begriff ESA?“
  • Um den Erinnerungen nachzuhelfen, können Fotografien oder Exponate verwendet werden, die Sie der interviewten Person vorlegen, um so Erinnerungen wachzurufen.
  • Wenn Interviewte Exponate in die Hand nehmen, ergibt dies abwechslungsreiche Filmaufnahmen.
  • Mit kleinen Gesten können Sie filmische Akzente setzen – etwa wenn der Steiger ein schief hängendes Bild in seiner Steigerstube gerade rückt, seinen Helm aufsetzt und die Kopflampe einschaltet.
  • Zunehmend werden von Laien erstellte Videos in den Sozialen Medien gezeigt. Je nach Thema, Anspruch und Zielgruppe ist dieses Vorgehen auch im Museumsbereich möglich. Wir empfehlen bei Filminterviews die Beauftragung professioneller Anbieter*innen. Sie verbessern mit den filmischen Tricks die Qualität vor allem der Beiträge, die für den Ausstellungsbereich oder Präsentationen vorgesehen sind. Es gibt mittlerweile professionelle Firmen, die sich auf die Arbeit für museale Einrichtungen spezialisiert haben.

Kapitel 3
Nach dem Interview:
Von der Datensicherung und Verschriftlichung zur Auswertung

Datensicherung, Verschriftlichung, Verschlagwortung

 

Für die Langzeitspeicherung der Dateien sollten die Daten gesichert (mit Namen der Interviewten, Datum des Interviews) und Backups (Sicherungskopien) erstellt werden, die sinnvoll gekennzeichnet sind.

Nun folgen die weiteren Schritte zur sinnvollen Nutzung dieser Quelle: Die Interviews werden idealerweise transkribiert, das heißt verschriftlicht. Mit der Verschriftlichung geht „die Aura des gesprochen Wortes verloren”[1]. Das bedeutet, dass viele Mitteilungen, die nonverbal, also beispielsweise über die Art der Aussprache wie zögerliches Sprechen, Pausen, Betonungen, sich verändernde Lautstärke oder Dialekt vermittelt werden, bei einem geglätteten Text verloren gehen. Dieser Verlust kann durch die Vorgaben für die Verschriftlichung zum Teil aufgefangen werden. Sie werden in den Transkriptionsregeln festgehalten. Eine detaillierte Transkription enthält damit nicht nur das verschriftliche Erzählte, sondern auch Anmerkungen dazu, wie es erzählt wurde.

Hinweise auf Besonderheiten im Interview werden außerdem im Erinnerungsprotokoll festgehalten.

Das Abtippen eines Interviews ist eine lange, zeitaufwendige Arbeit. So dauert die Transkription eines einstündigen Interviews zwischen fünf bis zehn Stunden! Dafür muss Zeit eingeplant werden.

Transkriptionsregeln

Es gibt viele Möglichkeiten der Transkription: für wissenschaftliche Zwecke, etwa in der Linguistik, werden lautsprachliche Verschriftlichungen durchgeführt. Für den musealen Zusammenhang reichen vereinfachte Transkriptionen, bei denen jeweils gut zu überlegen ist, inwiefern zum Beispiel auch Dialekte ins Hochdeutsche übertragen werden. Wortdoppelungen werden dabei ausgelassen, Satzzeichen zugunsten der Lesbarkeit eingesetzt. Um zu zeigen, für welche Form der Verschriftlichung man sich entschieden hat, werden die Transkriptionsregeln schriftlich niedergelegt.

Jedes Interview sollte vollständig und wörtlich transkribiert werden. Ausnahme können Textteile sein, in denen kein thematischer Zusammenhang mehr besteht oder wo ganz deutlich ist, dass das Interview sich für eine Weile in abwegige Themenbereiche verirrt hat. Diese Themen könnten dann nur in Stichpunkten festgehalten werden.

Transkriptionssoftware

Für die konkrete Arbeit an der Transkription gibt es verschiedene (zum Teil kostenlose) Software, so zum Beispiel:

Express Scribe: hierbei kann die Wiedergabegeschwindigkeit gesteuert werden über die Tastatur. Die kostenlose Version unterstützt gängige Audioformate wie WAV, MP3, WMA und DCT.

Otranscribe: mit dieser App können die Audiotexte vor- und rückgespult werden und pausieren.

F4transkript: das Programm springt bei jedem Stopp ein Stück zurück. Hier können manuell auch Zeitmarken und Markierungen gesetzt werden. Die Lizenz ist kostenpflichtig.

AmberScript: hier ist eine automatische Wiedergabe und Verbindung zwischen Zeitzählung des Interviews und der Verschriftlichung gegeben, sodass die jeweilige Passage in der Audioversion, falls gewünscht, ohne Umstände zu finden ist.

Darüber hinaus gibt es professionelle Transkriptionsdienste. Über die jeweiligen Webseiten kann man erfahren, welche Kosten dabei entstehen. 

Falls die Verschriftlichung des gesamten Interviews nicht möglich ist, könnte man auch eine in Minutenschritten geteilte Inhaltsangabe erstellen. Dadurch wird ermöglicht, später recht schnell entsprechende Interviewthemen in der Audiodatei wiederzufinden.

Inhaltliche Auswertung von Interviews – Verschlagwortung

  • Mit der Textfassung des Interviews kann die qualitative Auswertung der Interviews beginnen.
  • Sie wird in der wissenschaftlichen Arbeit mit Softwareprogrammen zur qualitativen Datenanalyse durchgeführt.[2] Diese bieten vielfältige Möglichkeiten der Codierung, das heißt der Verschlagwortung von Textpassagen, der Verknüpfung von Einzeldaten bzw. -aussagen und der verknüpften Auswertung.
  • Kleineren Museen stehen diese Programme in der Regel nicht zur Verfügung, die Auswertung wird daher durch eine händische Verschlagwortung des Textes vorgenommen.
  • Die Auswahl der jeweils verwendeten Schlagworte hängt von der grundlegenden Fragestellung und den Zielen ab, die in der Projektskizze festgelegt wurden. Die Schlagworte werden dann beim Lesen des verschriftlichten Textes an den jeweiligen Textstellen notiert.
  • Anschließend ist eine vergleichende Auswertung von Interviewpassagen möglich, immer mit Blick auf das jeweilige Ziel des Projektes.
  • Die ausgewählten Interviewpassagen sollten kontextualisiert werden, das heißt mit anderen historischen Quellen verbunden und dadurch in einem sozialgeschichtlichen Zusammenhang eingebettet werden.
  • Wichtig bei der Verwendung von Interviewaussagen ist es, die Herkunft des Interviews (zum Beispiel Name der interviewten Person, Datum des Interviews, Ort der Archivierung) anzugeben, um eine Überprüfbarkeit zu ermöglichen.

Wahrheitsgehalt und Stellenwert mündlicher Quellen

 

Bei der Verwendung von Aussagen aus Interviews für die Geschichtsschreibung und damit auch für die museale Praxis ist stets zu bedenken, dass das Erzählen über Vergangenes oftmals durch später erworbene Erkenntnisse und den Einfluss von Medien verändert wird.

„Diese Quellen geben nicht in erster Linie Aufschluss über Ereignisse, sondern vor allem darüber, wie diese Ereignisse an einem bestimmten Moment im Leben gedeutet werden. Die Deutung des Erlebten in der Gegenwart steht ebenso stark, wenn nicht stärker im Vordergrund, wie die Ereignisse selbst. Wichtig für das Verständnis eines Interviews ist überdies die Art, wie über Erlebtes, Erinnertes und Gedeutetes gesprochen wird, welche Bedeutung also das Narrativ in der spezifischen, vielfach dynamischen Kommunikationssituation hat. Und die Erzählung sollte nicht mit der Erfahrung, dem Ereignis oder der Erinnerung gleichgesetzt werden.“[3]

Die Aussagen aus Zeitzeugeninterviews müssen für eine ausgewogene Darstellung in ihren jeweiligen historischen und kulturellen Kontext eingebettet werden. Die Interviews mit Zeitzeug*innen sind, wie schon zu Beginn erläutert, Beispiele für das persönliche Erleben und die subjektive Erfahrung aus der heutigen Perspektive. Hierbei fließen Erfahrungen in die Erzählung mit ein, die seit der Zeit, über die erzählt wird, bis zur Jetztzeit gemacht wurden, aber auch die Umstände der Interviewsituation. Dies sollte bei der Auswertung, Interpretation und Verwendung von Zeitzeugenaussagen mit bedacht werden.

Authentische Zeitzeugenschaft – ein kritischer Blick

  • Häufig werden Zeitzeug*innen als Garanten für Authentizität angesehen. Sie gelten als unverfälscht, nah an der Wahrheit und glaubwürdig.[4] Jedoch ist jede biographische Erzählung – so beschreibt es die Expertin für Oral History, Dorothee Wierling – „sozial geformt“ und „sinnbezogen konstruiert“. Letztlich erfahren wir immer nur einen kleinen Teil von dem, was ein Mensch über sein Leben zu sagen hat. Im Interview erzählt eine Person in der Regel nur gerne das, was in ihrer Biographie einen Sinn ergibt und ihre soziale Zugehörigkeit absichert. Die Erzählung im Interview gibt somit den aktuellen Stand eines  Verarbeitungsprozesses wieder.
  • Zeitzeugenberichte verlieren gerade durch den zeitlichen Abstand an Genauigkeit, zum Teil werden in eine bestimmte Form gegossene Geschichten berichtet. Einfluss haben auch psychologische Prozesse, die dazu führen, dass unerwünschte Erinnerungen ausgeblendet werden. Zur Überwindung dieser Festlegungen in der Erzählung können narrative Interviews beitragen, da in breiten Erzählungen die Kontrolle über das Gesagte geringer wird und auch Unstimmiges zur Sprache kommen kann.

Die besondere Qualität der Zeitzeugenerzählung

  • Allerdings soll nach den kritischen Bemerkungen zum Stellenwert von Zeitzeugenerzählungen auch auf ihre besonderen Qualitäten und ihren speziellen Wert für die museale Arbeit hingewiesen werden.[5]
  • Interviews mit Zeitzeug*innen haben einen hohen Wert für die Erforschung der Lokal- und Mikrogeschichte, da mit ihrer Hilfe Hintergrundwissen zur Alltagskultur und den persönlichen Lebensverhältnissen erfasst werden.
  • Zeitzeug*innen sind für die didaktische und pädagogische Vermittlung von Geschichte von hohem Wert. Menschen bekommen damit einen persönlichen Zugang zur Vergangenheit, die Zeitzeug*innen ermöglichen Empathie, indem historische Ereignisse durch ihre Person verdichtet und anschaulich gemacht werden.
  • Zeitzeugenberichte geben Aufschluss über das Verhältnis von Erinnerung, Erfahrung und Geschichte, aber auch über die Langzeitwirkung von Erlebnissen, über Geschichtsbewältigung und Traumatisierung, über die Funktion des Generationengedächtnisses, über Strategien der Traditionsbewahrung und mentale Prägungen ganzer Generationen.

Überprüfung mündlicher Quellen – Kontextualisierung

Für die Bewertung und Einordnung des Stellenwerts von mündlichen Quellen gibt es vielfältige Kontrollmöglichkeiten durch die Hinzuziehung weiterer Quellen. Schon im Kapitel über die Vorbereitung und Planung eines Interviews ist darauf hingewiesen worden. Folgende Schritte zur Überprüfung der Interviewaussagen zu historischen Fakten und zu zeitgeschichtlichen Sichtweisen können hilfreich sein:

 

  • Kontextualisieren des Erzählten: Wissenschaftliche Literatur zu dem jeweiligen Thema heranziehen sowie andere Quellen wie etwa Tagebücher, Fotos, Briefe, Zeitungsartikel. Damit kann die Schlüssigkeit überprüft und die Darstellung mit anderen Quellen verglichen werden.
  • Gruppengespräche und die Befragung von weiteren Personen einer relativ homogenen Gruppe ergänzend durchführen.
  • Berücksichtigen der Erwartungshaltung der Interviewten selbst, beispielsweise an das Ausstellungsprojekt, zu dem sie etwas beitragen, da diese sich auf ihre Erzählung auswirkt. Beispielsweise nimmt eine Person im Vorgespräch wahr, was in Erfahrung gebracht werden soll und richtet sich dann darauf aus.
  • Die Gesprächssituation und die Rahmenbedingungen des Interviews beachten. Zeitzeug*innen werden vor Schüler*innen anders berichten, als gegenüber Gleichaltrigen.
  • Die Art der Darstellung von Überzeugungen von Interviewten lassen erkennen, wie sehr eine Reflexion in der Vergangenheit möglich war und in der Gegenwart stattfindet. So ist zu analysieren, ob sich in der Erzählung Brüche und Entwicklungen zeigen oder ein kontinuierliches Festhalten an lang gehegten Auffassungen vertreten werden.
  • Schuldhaftes Verhalten wird in der Regel nicht freiwillig erzählt, sondern überspielt und kommt möglichst nicht zur Sprache.

Kapitel 4
Ausklang und Beratungsangebote

Ausklang und Abschied

Viel Erfolg bei der Planung und Durchführung Ihrer Interviews!


Als Anregung für die Beschäftigung mit Interviews drei Fragen zur Selbstreflexion

Sie sind am Ende des Online-Seminars angelangt und wir hoffen, dass Sie ermutigt wurden, Interviews eigenständig durchzuführen. Sie werden sich sicher fragen: Wie kann ich das Gelernte nun für mein eigenes Museum sinnvoll einsetzen? Als Anregung haben wir dafür ein paar Fragen vorbereitet und bitten Sie, sich jetzt gleich für die Beantwortung einige Minuten Zeit zu nehmen. Diese Überlegungen können die Grundlage für das weiterführende Beratungsgespräch sein.

1. In welchen Bereichen meines Museums kann ich mir konkret vorstellen, mit Zeitzeugeninterviews zu arbeiten? (Dokumentation zu Teilen der Sammlung? Vorbereitung einer Sonderausstellung?)

2. Wenn Sie ein konkretes Anliegen oder Interesse formuliert haben, überlegen Sie bitte: Zu welchem Thema möchte ich etwas erfahren? Welche Fragen könnte ich in einem Interview stellen?

3. Haben Sie schon Kontakt zu Personen, die Sie für ein Zeitzeugeninterview befragen möchten? Falls nicht: Überlegen Sie, wen Sie persönlich ansprechen und über welche anderen Kanäle Sie Interviewspartner*innen finden könnten.

Gerne können wir anhand Ihrer Überlegungen ins Gespräch kommen!

 

 

Dr. Regina Löneke

Museumsberaterin, Museumsverband Hessen

Bitte um Rückmeldung zum Online-Seminar

Ihre Meinung ist uns wichtig und wir möchten gerne darüber mit Ihnen in Kontakt kommen. Daher werden Ihre Antworten nicht anonymisiert und an die Museumsberaterin Dr. Regina Löneke weitergeleitet.

Umfrage Zeitzeugen 2

Quellennachweise

Kapitel 1

[1] Dorothee Wierling, Zeitgeschichte ohne Zeitzeugen. Vom kommunikativen zum kulturellen Gedächtnis – drei Geschichten und zwölf Thesen, in: BIOS. Zeitschrift für Biographieforschung, Oral History und Lebensverlaufsanalysen, 21 (2008), Heft 1, S. 28-36, hier S. 34.

[2] Unter dem Begriff Leitfadeninterview werden von Wissenschaftler*innen sehr unterschiedliche Typen (z. B. das Tiefen- und Intensivinterview, das problemzentrierte Interview, das Experteninterview) für unterschiedliche Anwendungsbereiche gefasst, auf die wir in diesem Zusammenhang nicht näher eingehen.

[3] Vgl. Barbara Friebertshäuser, Interviewtechniken – ein Überblick, in: Barbara Friebertshäuser / Annedore Prengel (Hgg.), Handbuch Qualitative Forschungsmethoden in der Erziehungswissenschaft. München 1997, S. 371-395; Christel Hopf, Qualitative Interviews – ein Überblick, in: Uwe Flick / Ernst von Kardorff / Ines Steinke (Hgg.), Qualitative Sozialforschung, ein Handbuch. Hamburg 2000, S. 349-360.

[4] Matthias Weber, Einführung in die Tagung „Zeitzeugen im Museum“, Tagung des Bundesinstitutes für Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa (BKGE) und des Schlesischen Museums zu Görlitz, 12.-14.10.2011, S. 9; URL: https://www.bkge.de/Downloads/Zeitzeugenberichte/Weber_Einfuehrung_Zeitzeugen_im_Museum.pdf [Stand 16.06.2020].

[5] Der französische Philosoph und Soziologie Maurice Halbwachs hat das Konzept des kollektiven Gedächtnisses 1939 zum ersten Mal beschrieben. Es wird heute in mehreren wissenschaftlichen Disziplinen, u. a. in der Geschichtswissenschaft, als Analysekategorie verwendet. Vgl. Maurice Halbwachs, Das kollektive Gedächtnis. Frankfurt a. M. 1985.

Kapitel 3

[1] Gerhard Henke-Bockschatz, Oral History im Geschichtsunterricht. Schwalbach i. T. 2014, S. 63.

[2] Die bekanntesten Programme zur qualitativen Datenanalyse sind  MAXQDA oder ATLAS.ti.

[3] Linde Apel, Erinnern, erzählen, deuten. Oral History in der universitären Lehre, in: BIOS, Zeitschrift für Biographieforschung, Oral History und Lebensverlaufsanalysen, 31 (2018), Heft 1, S. 23-34, hier S. 28.

[4] Dorothee Wierling, Zeitgeschichte ohne Zeitzeugen, Vom kommunikativen zum kulturellen Gedächtnis – drei Geschichten und zwölf Thesen, in: BIOS, Zeitschrift für Biografieforschung, Oral History und Lebensverlaufsanalysen, 21 (2008), Heft 1, S. 28-36, hier S. 30.

[5] In der Darstellung folge ich Matthias Weber, Einführung in die Tagung „Zeitzeugen im Museum“, Tagung des Bundesinstitutes für Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa (BKGE) und des Schlesischen Museums zu Görlitz, 12.-14.10.2011, S. 5; URL: https://www.bkge.de/Downloads/Zeitzeugenberichte/Weber_Einfuehrung_Zeitzeugen_im_Museum.pdf [Stand 16.06.2020].

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